Einst war Cusco die Hauptstadt des Inkareiches, das sich um 1500 n.Chr. vom heutigen Chile bis nach Kolumbien erstreckte. Die Inkas waren ziemlich ueberraschend innerhalb von hundert Jahren vom beschaulichen Andenstaemmchen zum groessten Imperium des amerikanischen Kontinents herangewachsen. Cusco bildete dabei in jeder Hinsicht das Zentrum des Grossreichs - sowohl als Ausgangspunkt des tausende Kilometer langen Strassennetzes der Inka, als auch als Verwaltungs- und Kulturzentrum. Die Inka hatten zwar keine Schrift (weswegen gesicherte Erkenntnisse ueber ihre Kultur nur bedingt existieren), konnten aber Bronze bearbeiten und die Sterne lesen. Menschenopfer gab es zwar, wohl aber sehr vereinzelt und wenn dann vor allem, um die Naturgoetter zu besaenftigen - jede Naturkatastrophe war fuer die Inka ein Zeichen des Zornes einer Gottheit. Insgesamt hatten es sich die Inka Anfang des 16. Jahrhunderts gerade gemuetlich in ihrem Grossreich gemacht.
Der Plaza de Armas in der Abenddaemmerung
Dann kamen die Spanier. Um 1520 schwappte eine von den ersten Europaeern eingeschleppte Pockenepidemie von Mittelamerika ins Inkareich ueber, an der viele der dem Krankheitserreger schutzlos ausgelieferten Inkas zu Grunde gingen. So auch der beruehmte Inka-Koenig Huayna Capac. Er hinterliess einen legitimen Sohn in Cusco (Huascar), bevorzugte wohl aber seinen von einer Kokubine in Quito geborenen Sohn Atahualpa. Die Folge war ein bitterer Buergerkrieg, der das Inkareich spaltete.
Die 180 Spanier, die 1532 im heutigen Peru landeten, fanden ein geschwaechtes und zermuerbtes Land vor. Inspiriert von der hinterhaeltigen Gefangennahme des Aztekenherrschers Montezuma durch Hernan Cortes wenige Jahre zuvor, gelang es den Spaniern, den aus dem Buergerkrieg siegreich hervorgegangenen Atahualpa in einen Hinterhalt zu locken und als Geisel zu nehmen. Anschliessend marschierten die Konquisatoren nach Cusco und setzten den Marionetten-Herscher Manco Capac ein. Atahualpa wurde bereits vorher von den spanischen Reitern hingerichtet - allerdings erst nachdem sie einen kompletten Raum voller Gold und zwei Raeume voller Silber als Loesegeld fuer das Inka-Oberhaupt eingestrichen hatten.
Der Widerstand der Inkas sollte noch weitergehen, dieser Streich war aber ohne Frage der Anfang vom Ende. Insgesamt machten die Konquisatoren dank ihrer Feuerwaffen, ihren Schlachtroessern (Pferde waren in Suedamerika zu diesem Zeitpunkt komplett unbekannt) und ihren Kampfhunden mit zahlenmaessig weit ueberlegenen Inkaheeren kurzen Prozess.
Die spanische Krone zementierte in den folgenden Jahrzehnten ihre Macht in Peru, indem sie die Festungen der Inkas niederreissen und Kirchen auf die Fundamente der Inkatempel bauen liess. An der Pazifikkueste wurde als neue Landeshauptstadt Lima gegruendet. Ausserdem wurde die Inkasprache Quechua verboten und der Katholizismus zur einzig gueltigen Religion erklaert.
Die Kathedrale San Cristobal, die auf den Fundamenten des Sonnentempels (dunkle Mauer rechts unten) erbaut wurde
In den folgenden vier Jahrhunderten wurde Cusco zur abgelegenen Andenstadt mit huebschen Mauerresten aus der Inkazeit und imposanten katholischen Kathedralen. Ende des 19. Jahrhunderts wurden dann immer mehr der teils vergessenen Inkafestungen in abgelegenen Bergtaelern rund um Cusco entdeckt, darunter auch das 75 km entfernte Machu Picchu. 1983 wurde diese groesstenteils erhaltene Inkastadt zum UNESCO-Weltkulturerbe erklaert.
Dann kamen die Touristen. Der Strom Schaulustiger nahm in den 90er Jahren bestaendig zu. Heute besuchen jedes Jahr hunderttausende Auslaender Cusco und Machu Picchu. Sie veraenderten das Stadtbild von Cusco vermutlich in aehnlichem Masse, wie es einst die Spanier taten. Die negativen Folgen dieser erneuten Assimilierung habe ich mir ja bereits an anderer Stelle von der Seele geschrieben.
Cusco bei Nacht, man beachte den Waldbrand am Horizont
Das Erstaunliche an Cusco ist derweil, dass es trotz diesem offensichtlichen Mangel an Authenzitaet irgendwie zu gefallen weiss. Vielleicht deswegen, weil man hier den Uebergang einer Kultur in eine andere (so verurteilenswert er auch sein mag) auf Anschaulichste nachvollziehen kann. Die Stadt ist ein Inkaheiligtum, das von den Tentakeln des Katholizismus ueberwachsen wurde. Dieser ungleiche Hybrid wurde schliesslich in dem Bestreben, Scharen von Touristen zu bespassen, in hoechstem Masse verwestlicht und kommerzialisiert.
Heute zeugen nur noch die ueberal sichtbaren Mauerreste aus Inkazeiten, auf die koloniale Gebaeude oder Kirchen gebaut wurden, von dem Cusco vergangener Jahrhunderte. Bestimmt wird das Stadtbild laengst von Hostal- und Restaurant-Fassaden, zwischen denen hellhaeutige Touristen mit Lama-Strickmuetzen und Sonnenbrillen hin und her spazieren. Dennoch blickt man ab und zu vorbei an dem Touristenkorsett und bekommt eine Ahnung davon, wie es frueher ausgesehen haben koennte.
Ein Stueck Inkamauer, inklusive weltberuehmten 12-eckigem Stein
Losgeloest von solchen Ueberlegungen besticht die Stadt, in einem Tal auf 3.400 m Hoehe gelegen, durch hochsommerliche Temperaturen und strahlend blauen Himmel - Tag fuer Tag (zumindest waehrend der Trockenzeit). Nachts wird es jedoch bitterkalt, sodass Cusco wohl eine der wenigen Staedte ist, in der man einen Sonnenbrand und eine Erkaeltung an ein und demselben Tag kriegen kann.
Ausblick von der Terasse unseres Hostals
Wir blieben drei Tage in Cusco. Hoehepunkt unseres Aufenthalts war sicherlich die Wanderung zu den Ruinen der Festung Saqsaywamán, die einst als Bollwerk gegen Eindringlinge ueber der Stadt errichtet wurde. Auch hier zeigte sich wieder der schizophrene Charakter Cuscos: wenige Meter von den Mauerresten entfernt thront eine zehn Meter hohe, aus weissem Stein gefertigte und nachts hell beleuchtete Jesus-Statue ueber der Stadt.
Waehrend dem Aufstieg erlebte die K. derweil ein Highlight persoenlicher Art: zwei 19-jaehrige Maedchen aus Germany wollten sich unbedingt mit ihr fotographieren lassen, da sie ihr eine sehr grosse Aehnlichkeit mit der Schauspielerin
Kirsten Steward attestierten (die alle nach 1990 Geborenen als Heldin der
Twillight-Saga kennen). Das ist der K. nicht zum ersten Mal passiert, aber zum ersten Mal im Ausland und zum ersten Mal mit Photo-Anfrage.
Saqsaywamán-Ruinen (rechts) und Jesus-Statue (links) ueber CuscoMittlerweile sind wir ins Heilige Tal der Inkas weitergefahren. Hier haben wir uns einige Inka-Ruinen angeschaut (ueber die ich beim naechsten Mal berichte) und uns tatsaechlich dazu durchgerungen, den (vor allem in organisatorisch-finanzieller Hinsicht) beschwerlichen Weg nach Machu Picchu anzutreten.