Ich haette gewarnt sein sollen. Nicht nur, dass die Stadt so heisst wie die sanitaeren Einrichtungen an jeder beliebigen Strassenecke. Nein, auch dieses gewisse Leuchten in den Augen von (nord-)amerikanischen Ecuador-Reisenden, wenn immer sie von Baños sprechen, haette mich skeptisch machen koennen. Aber so, ganz naiv, dachte ich, aha, da gibt es etwas zu sehen, was Menschen nachhaltig beeindruckt hat. Also baute ich das 20.000-Einwohner-Staedchen auf meinem Weg nach Sueden in meine Route ein. In Baños angekommen, bin ich dann etwas ernuechtert von dem ueberschaubaren Stadtbild, nehme aber durchaus zur Kenntnis, dass der Ort durchaus ganz nett gelegen ist, in einem Tal, das im Westen in die Hochebene zwischen den Vulkanen aufsteigt und im Osten gemaechlich gen Amazonasbecken abfaellt.
Dann aber gehe ich am naechsten Morgen nichts ahnend in ein Café, werde in unfreundlichem Englisch begruesst und stosse mit der Aeusserung auf Unverstaendnis, dass 4$ ein bisschen viel fuer mein Budget in Ecuador sind. Draussen, vor dem Café, fallen mir dann schliesslich die Schuppen von den Augen: Touristen bzw. gringos soweit das Auge reicht und nirgendwo auch nur ein Fuenkchen ecuadorianischer Authenzitaet. Sind Hochseilaktionen rund um Wasserfaelle und Seil-Spruenge von Bruecken, die man an jeder Ecke buchen kann, irgendein Bestandteil der ecuadorianischen Kultur, den ich bisher uebersehen habe oder suchen viele Rucksackreisende einfach etwas anderes als ich?
So verliess ich die Stadt noch am selben Tag und dachte mir etwas boeswillig, dass nicht viel von Ecuador verschuettet werden wuerde, wenn der hochaktive Vulkan Tungurahua, der ueber der Stadt thront, demnaechst ausbricht.
Nach meinem wenig inspirierenden Aufenthalt in Gringobamba (ja, das ist tatsaechlich der Spitzname von Baños) habe ich die siebenstuendige Busfahrt nach Cuenca angetreten. Aufgrund meines spaeten Aufbruchs in Baños kam ich dort jedoch erst gegen 22 Uhr an. Widererwartend lief aber alles reibungslos - Taxi gefunden, in die Innenstadt fahren lassen, zwei Minuten lang Hostal gesucht und eingecheckt.
Im suedlichen Teil der Vulkanstrasse Ecuadors gelegen, widersetzt sich auch Cuenca (300.000 Einwohner) meinen Erwartungen. Statt Anonymitaet und Hauptverkehrstrassen erwarten den Besucher eine von gepflasterten Gaesschen durchzogene Altstadt, die nicht vollkommen zu unrecht den Spitznamen "Athen Ecuadors" traegt. Mediterrane Freundlichkeit, landestypische Maerkte mit Waren anpreisenden Marktschreierinnen an jeder Ecke und handwerkende Menschen hinter jeden dritten Tuer, an der man vorbeilaeuft.
Zudem befinden sich gleich sieben Kirchen in der Altstadt, von denen die neue Kathedrale wohl die beeindruckenste ist. Ende des 19. Jahrhundert von einem Schwaben (!) erbaut, hat sich in das prunkvolle Bauwerk leider ein architektonischer Baufehler eingeschlichen, der verhinderte, dass die neue Kathedrale von Cuenca die groesste Lateinamerikas wurde. Trotzdem ist die Wirkung des Gebaeudes mit seinen drei himmelblauen Kuppeln nicht zu unterschaetzen. Man fuehlt sich regelrecht verloren, wenn man eintritt, die Saeulen sind aus rotem Marmor und eine 10 Meter hohe, vergoldete Halbkuppel schwebt ueber dem Altar.
Auch als jemand der seine Probleme mit der katholischen Kirche hat, hat mich dieses Bauwerk auf gewisse Weise inspiriert. Hat es mir doch wieder mal eindruecklich veranschaulicht, dass der Glaube an Dinge, die jenseits unser Wahrnehmung liegen, ein bedeutend groesserer Antrieb fuer den Menschen zu sein scheint (und ihn Kathedralen erbauen laesst), als so ziemlich alles andere.
An meinem ersten Abend in Cuenca fiel mir auf, dass fast nur Einheimische in der Kneipenstrasse unterwegs sind. Trotzdem habe ich bei einem abendlichen Bier zufaellig wieder eine Gruppe sehr netter Volontaere kennengelernt (diesmal aus Oesterreich, den USA und China), mit denen ich am naechsten Morgen in den nahe gelegenen Nationalpark El Cajas gefahren bin. Hier haben wir bei fuerstlichem Wetter eine schoene Wanderung zwischen kleinen Bergseen gemacht, jedoch weder Pumas noch den Andenkondor gesichtet.
Abends im Hostal habe ich dann einen amerikanisch-mexikanischen Fotographen kennengelernt, der einen Bildband ueber die Menschen Ecuadors erstellt und wirklich beeindruckende Photos schiesst und wie kein anderer Mensch, den ich bisher getroffen habe, einen Blick fuer die Feinheiten des Augenblicks zu haben scheint. Mit ihm und ein paar anderen Leuten aus dem Hostal wurde dann ein wenig gefeiert, was aber relativ vernuenftig ausfiel, da ich am naechsten Morgen nach Loja aufbrechen wollte.
Loja, als letzte groessere Stadt im Sueden Ecuadors vor der peruansichen Grenze, hat bislang mein positives Bild vom Sueden Ecuadors bestaetigt. Entspannte Menschen, die es ruhig angehen lassen, ein ausgepraegtes Sicherheitsgefuehl und ein Wetter, das mich nicht mehr neidisch auf die momentane Hitzewelle in Europa macht. Um dieses zu zelebrieren, bin ich heute ein wenig im Botanischen Garten spaziert (und habe ein klein wenig bereut, dass ich keine Ahnung von Botanik habe) und bin anschliessend auf den Hausberg ueber Loja geklettert. Dort, einsam auf einem Felsvorsprung mit Blick ueber die Stadt in der strahlenden Mittagssonne sitzend, habe ich ein wenig im Glasperlenspiel gelesen und mich auf dem richtigen Weg gefuehlt, hin zum Begreifen der Welt auf allen Ebenen und dem vollendeten Leben im Sinne eines Hermann Hesse.
Morgen frueh werde ich Ecuador ueber die peruanische Grenze verlassen. Ich bereue ein bisschen, nicht ein wenig mehr Zeit in diesem faszinierenden Land gehabt zu haben. Hier haette ich ohne weiteres meine gesamten drei Monate verbringen koennen. Deswegen werde ich wohl wiederkommen, irgendwann - vielleicht auf meiner naechsten Suche nach Inspiration und Authenzitaet. Doch jetzt freue ich mich auf Peru und ein gewisses Rendevouz am Flughafen Limas, zu dem ich am Sonntag eilen will.
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