Von der Isla del Sol fuhren wir in die bolivianische Metropole La Paz (hier hat widererwartend nur die Regierung ihren Sitz, die Hauptstadt Boliviens ist das kleinere Sucre!). Die Strasse, ueber die unser Bus fuhr, schlaengelte sich fort vom Titicacasee und fuehrte auf ein Hochplateau 4000 Meter ueber dem Meeresspiegel. Hier wehen nachts eisige Winde und tagsueber knallt die Hoehensonne erbarmungslos auf die trockene Steppe. Am noerdlichen Horizton ragen die ueber 6000 Meter hohen Gipfel der Cordilliera Real in den Himmel. In suedoestlicher Richtung bestimmen lediglich staubige, wie mit dem Linial gezogene Hauptstrassen mit einsamen Tankstellen und versprenkelten Huetten die Landschaft. Doch nach 50 km faellt die Hochebene ploetzlich in einen Canyon ab, in dem spanische Siedler einst - geschuetzt vor dem Zorn der Elemente - La Paz gruendeten. Mittlerweile ist die Stadt zur Metropole herangewachsen und erstreckt sich vom Rand des Canyons bis hin zur 1000 Meter tiefer gelegenen Sohle, die weiter oestlich gen Regenwald abfaellt.
Die extremen Hoehenunterschiede in der Stadt spiegeln laengst den sozialen Status der Bewohner wieder: Je hoeher ein Haus gelegen ist, desto aermer sind die Leute, die dort leben. Der 4000 Meter hoch gelegene Rand des Canyons ist in den letzten Jahrzehnten zur Stadt El Alto herangewachsen, die einen steten Zustrom an Landbewohnern zu verzeichen hat, die ihr Glueck in der Stadt versuchen wollen. Da die Landbevoelkerung Boliviens zum groessten Teil indigen gepraegt ist, sind die oberen Stadtgebiete hauptsaechlich von dunkelhaeutigen Indiaener bevoelkert, die ohne Heizung in bitterer Kaelte und Armut leben.
Nicht nur der Wohlstand der Bewohner aendert sich, je tiefer man der Stadt in den Canyon folgt. Auch sind die Menschen zunehmend westlich gekleidet und haben als direkte Nachkommen der spanischen Kolonisten eine europaeische Hautfarbe. Fast an der Sohle des Canyons kommt man dann in eine irreale Kontrastwelt, die so gar nicht nach Suedamerika passen will. Spielplaetze mit froehlich schreienden Kindern grenzen an Vergnuegungsparks, und perfekt asphaltierte, vierspurige Highways verbinden modernste Stadtteile mit bunten Luxusvillen. Die Landschaft und das ploetzlich milde Klima lassen einen glauben, man sei in Kalifornien gelandet. Man findet keine Antwort auf die Frage, wie diese Welt zur staubtrockenen und elenden Massenexistenz achthundert Meter den Berg hinauf passen soll.
Trotz dieser Gegensaetze erlebten die K. und ich La Paz als die freundlichste suedamerikanische Grossstadt, in die wir bislang Fuss gesetzt haben. Wir fanden grosses Gefallen an der entspannten Art, mit der die Menschen einen hier Mensch sein lassen - kein staendiges Umwerben unsererseits von Restaurantbesitzern, Strassenverkaeufern oder Taxifahrern, wie das noch in Peru Gang und Gaebe war. Stattdessen begegnet man uns freundlich und verstaendnisvoll. Sogar das Spanisch laesst sich verstehen, zumal die Menschen langsamer sprechen und nicht so nuscheln wie die Peruaner.
Ganz im Sinne der Hoehenaspekts haben wir heute eine Tour auf den 5500 Meter hohen Chacaltaya gemacht. Fuer die duenne Luft (die uns dank unserer Akklimatisierung auf 4000 Meter ueberraschend wenig zu schaffen machte) entschaedigten uns beeindruckende Blicke auf den benachbarten Huayna Potosi (6088 m). Am Hang des Chacaltaya befand sich einst ein Skigebiet, doch der Klimawandel hat den Gletscher auf bedenkliche Ausmasse schrumpfen lassen, sodass jetzt nur noch Wanderer die Aussicht geniessen. Beeindruckt haben uns auch Fossilien, die man im Schiefergestein des Gipfels finden konnte - Zeugen davon, dass die Anden einst unter dem Ozean lagen und erst von den Kraeften der Tektonik in solch schwindelerregende Hoehen gebracht wurden.
Morgen wollen wir die selbe Hoehendistanz in der anderen Richtung zuruecklegen und uns in die Yungas begeben. Noerdlich von La Paz faellt die Hochebene innerhalb weniger Kilometer ins Amazonasbecken ab. Die Strasse dort hinunter ist weltbekannt und trug einst den Spitznamen "Deathroad Bolivia", wurde jetzt aber durch eine etwas sicherere ersetzt. Dennoch kann man hier auf einer Busfahrt alle Klimazonen erleben. Unsere laengst an Herbsttemperaturen gewoehnten Koerper werden angesichts der tropischen Temperaturen wohl frohlocken - nur das Mueckenspray duerfen wir nicht vergessen.
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