Samstag, 31. Juli 2010

Huancayo

Es kam uns so vor, als seien wir auf dem Mars gelandet. Oder zumindest im Wilden Westen. Jeder unserer Schritte auf dem steilen Lehmpfad wirbelte eine kleine Sandwolke auf. Die Sonne knallte erbarmungslos und die trockene Bergluft hatte laengst den letzten Tropfen Feuchtigkeit aus unserer Haut gesogen. Am Wegesrand reihten sich broeckelnde Haeuser auf, in deren Schatten unrasierte Maenner kauerten und alte Frauen Stickereien anfertigten. Wir begegneten zahllosen streunenden Hunden, die jedoch kein Interesse an uns zu haben schienen - genauso wenig wie die fussballspielenden Kindern, an denen wir hin und wieder vorbei kamen.


Es erschien uns etwas surreal, dass wir eine halbe Stunde zuvor im Zentrum Huancayos noch in einer riesigen, klimatisierten Shopping-Mall einkaufen waren, die sich genauso gut in Deutschland haette befinden koennen. Doch hier, am Rande der Stadt, schien die Zeit stehen geblieben zu sein und die einzigen Globalisierungsfaeden in unsere Welt waren vereinzelte Kioske, die Coca Cola Flaschen verkauften.

Wir befanden uns auf dem Weg zu dem Mini-Canyon Torret Torret, der einen ausserhalb der Stadt beginnenden Berghang durchpfluegt. Der Wind hat hier im Laufe der Jahrtausende eine Schneise in den Berg gefressen und einige Fels-Saeulen stehenlassen. Oben bei den roetlichen Felsformationen angekommen, genossen wir die Aussicht auf diese gegensaetzliche Stadt, die sich unter uns im Dunst der Hochlandsteppe ausbreitete.

Turmartige Felsformationen

Es war unser zweiter Tag in Huancayo. Die Hoehenluft machte uns noch etwas zu schaffen, jedoch bei weitem nicht mehr so sehr wie am Tag zuvor. Nach der ersten Nacht hatten wir unser Hostal gewechselt und wohnten nun im Backpacker-Treff La Casa de la Abuela, das mit Papagei, Hund, Katze und goldigem Kleinkind im Garten ein bisschen an die Villa Kunterbunt erinnert.

Die Kathedrale von Huancayo

Vor unserem Ausflug zu den Felstuermen hatten wir noch eine Prozession im Zuge des Nationalfeiertages begleitet: Maenner mit Hueten, die auf Blasinstrumenten die Geraeuschkulisse fuer die Taenze ihrer Trachten-tragenden Ehefrauen liefern und dabei eine durch und durch ansteckende Froehlichkeit verspruehen. Interessant in diesem Zusammenhang war auch, dass so gut wie jedes Haus an dem wir an diesem Tag vorbeikamen, die peruanische Nationalflagge gehisst hatte - offenbar ist Patriotismus hier Buergerpflicht.

Nationalfeiertag-Umzug mit tragbarer Harve

Gestern dann besuchten wir einen grossen Markt, auf dem riesige Ferkel ueber offener Flamme gegrillt und Lama-Schoenheits-Wettbewerbe abgehalten wurden. Unser anschliessender Besuch der einige Kilometer entfernten Ruinen der Waki-Kultur (die von den Inkas verdraengt wurden) verlief jedoch etwas enttaeuschend, da nicht viel mehr als ein quadratischer Mauerrest von der einstigen Siedlung uebrig geblieben ist.

Lama-Schoenheitswettbewerb

Allgemein hatten wir waehrend unseres Aufenthalts in Huancayo an der Informationsarmut im Hinblick auf touristische Aktivitaeten zu knabbern. Zwar versuchte man uns an jeder Ecke, irgendwelche Touren aufzuschwaetzen (es gibt offenbar viele peruanische Touristen in Huancayo), aber ein unabhaengiges, informationsspendendes Touristenbuero suchten wir vergebens. Obendrein frustrierten uns unsere Reisefuehrer (Lonely Planet Peru und Footprint Southamerica), die diese Region offenbar hoechst nachlaessig recherchiert hatten und uns entweder nicht weiterhalfen oder mit Fehlinformationen verwirrten - damit zahlten wir wohl den Preis fuer unser Bestreben, uns abseits der ausgetretenen Touristenpfade zu bewegen. Folglich erinnerte ich mich regelrecht nostalgisch an meinen Ecuador-Reisefuehrer von Volker Feser, der einen auch in abgelegeneren Regionen nicht im Stich gelassen hat.

Heute schliesslich wollten wir eigentlich Huancayo Richtung Huancavelica verlassen. K. hat jedoch das zweite unumgaengliche Anpassungsstadium jeder Suedamerika-Reise erreicht (nach der Hoehenkrankheit) und sich den Magen verdorben. So haben wir unseren Aufenthalt hier etwas verlaengert. Bald geht es dann aber weiter Richtung Sueden, wohl direkt ins huebsche Andenstaedtchen Ayacucho, das als Uebergangsstation nach Cusco und Arequipa dienen soll.

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