Nach meiner strapazioesen Reise in die Hauptstadt Perus brauchte ich etwas Zeit, um die mueden Knochen zu regenerieren. Das entpuppte sich als gar nicht so einfaches Unterfangen, in einer Metropole mit acht Millionen Einwohnern, die gerade diese gewisse Entwicklung zur Stadt mit Erster-Welt-Status durchlaeuft.
Die Smog-Glocke ueber der Stadt vermischt sich dabei taeglich mit den Nebelschwaden, die in der Trockenzeit vom Meer her ueber die Stadt ziehen (Lima liegt unmittelbar an der Pazifikkueste). Dieser Dunst verleiht insbesondere der ersten Tageshaelfte eine leicht bedrueckende, melancholische Grundstimmung, die wohl ueber die Jahrhunderte schon den ein oder anderen Poeten zu Hoehenfluegen inspiriert haben soll.
Zwar entschied ich mich, im historischen Zentrum zu naechtigen, doch auch da (oder gerade da) war an Ruhe eher nicht zu denken. Jeder Spaziergang wurde zum Spiessroutenlauf auf engen Buergersteigen in noch engeren Gassen, in deren Mitte sich irgendwie eine zweispurige Hauptverkehrsstrasse eingefunden hatte. Wenn einem nicht wilde Taxifahrer bei der Ueberquerung eben jener Gassen nach dem Leben trachteten, wurde man alle zwei Meter von Strassenverkaeufern, Restaurantangestellten oder einfach suspekt-aussehenden Menschen angesprochen, die einem dies oder jenes aufschwatzen wollten. Besonders extrem empfand ich das in der Fussgaengerzone, wo man weit und breit der einzige Tourist zu sein schien, aber "hey gringo, do you want weed?"-Sprueche ignorieren oder dubiosen Gestalten ausweichen musste, die einem unbedingt eine nicht weniger dubios aussehende Karteikarte auf die nackte Handflaeche pressen wollten.
Das hoert sich jetzt alles ziemlich negativ an. Aber im Grunde hat mir Lima gut gefallen. Die imposante Kolonialarchitektur in Lima Central, die weitlaeufigen Plaetze mit ihren Fountaenen und Kirchen, die ausgezeichnete Kueche fuer wenig Geld. Es ist durchaus eine Stadt in der man ein bisschen Zeit verbringen kann; wenn, ja wenn nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit ein nicht endenwollendes Hup-Konzert durch jede der vielbefahrenen Gassen schallen wuerde. Nicht besser wird dieser Missstand durch die Tatsache, dass fast ausschliesslich in komplett unnoetigen Siutationen gehupt wird. Zwischenzeitlich hegte ich den Verdacht, die Hupe koennte irgendwie mit dem Bremspedal gekoppelt sein. Nach einiger Beobachtung stelle sich aber heraus: Peruaner in Lima hupen schlichtweg zum Zeitvertreib.
Ein wenig Ruhe bot meine glaube ich ziemlich einzigartige Bleibe Hostal España, die eher einem Pariser Museum im Kolonialstil als einem lateinamerikanischen Hostal zu gleichen schien. Neben den mit goldgerahmten Gemaelden verzierten Zimmern und Fluren gab es sogar eine Dachterasse mit Adonis-Statuen, Papageien und Ausblick ueber Lima. Das, zusammen mit dem guten Preis hat dann auch wettgemacht, dass die Besitzer-Familie unglaublich unfreundlich war und der Hund selbiger ganz gerne mal vor die Zimmertuer gemacht hat.
Sonntag habe ich dann wie geplant K. vom Flughafen abgeholt. Nun waren wir also zu zweit und meine Reise auf eigene Faust hatte ihr Ende gefunden. Dabei zeigt sich das lachende Auge deutlich groesser als das weinende, auch wenn ich das Alleinreisen durchaus lieb gewonnen habe und das - so hoffe ich - nicht meine letzte Reise mit meinem Backpack als einzigem Begleiter gewesen ist.
Eigentlich hatten wir vor, K´s Jetlag ein bisschen ausklingen zu lassen. Montag abend haben wir aber gesehen, dass am 28./29. Juli der peruanische Unabhaengigstag ist, um den herum es unmoeglich sein sollte, einen Bus aus Lima heraus zu finden. Da wir mittlerweile Gehupe und Gedraengel als etwas anstrengend empfanden, bemuehten wir uns dennoch darum, eine zeitnahe Verbindung in die Berge zu buchen. Nach einem halbtaegigen Marathon-Marsch von Terminal zu Terminal wurde uns aber klar, dass das wohl wegen des Feiertags wirklich eher schwierig werde wuerde und alle Busse der naechsten vier Tage ausgebucht seien. Drum entschlossen wir uns zu einer Verweiflungstat und kauften die letzten beiden, vollkommen ueberteuerten Tickets in einem Bus der gehobenen Busgesellschaft Cruz del Sur (man muss dazu sagen: die Preise an Feiertagen steigen um bis zu 100%).
So sagten wir Lima Dienstag nacht gegen 23:45 adios und fuhren in breiten, umlegbaren Ledersitzen hinauf in die Anden. Dabei ueberquerten wir einen 4200 m hohen Pass, in dessen Naehe uns das Atmen aufgrund der Hoehenluft eher schwer viel. Dann ging es aber hinab ins Hochplateau der zentralen Andenregion Perus und wir wurden mit einem Sonnenaufgang ueber kristallklaren Andenfluessen entschaedigt.
Gegen 8:30 erreichten wir die 200.000-Einwohner-Stadt Huancayo, auf 3200 m in einem Bergkessel gelegen. Hier wollen wir ein bisschen bleiben und uns an die Hoehe gewoehnen - heute fiel noch jeder Schritt in der Hochgebirgsluft sehr schwer, und K., die noch kein Ecuador-Training hinter sich hat, kaempft mit Unwohlsein.
Angenehm aufgefallen ist uns aber, dass hier Autos nur dann hupen, wenn das Hupen einen Zweck erfuellt. Ausserdem scheinen wir mit die einzigen Touristen hier zu sein. Trotzdem fuehlen wir uns nicht als unangenehme Fremdkoerper, sondern sind angetan, von der offenen, freundlichen Art der Menschen. Im Anschluss an Huancayo soll es weiter nach Sueden durch die Berge gehen, abseits der am Meer entlang fuehrenden Haupt-Touristen-Route, hin zu Ruinen, die niemand kennt und in Taeler, durch die auch zu Konquisita-Zeiten einst nur Inkas streiften.
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