Nach meiner Zeit mit Familie Morales ging es Richtung Westen, aus der Hochebene der Vulkane hinab in den Nebelwald. Eine dreistuendige, holprige und kurvenreiche Busfahrt von Otavalo aus, die ich stehend in einem zu niedrigen und ueberfuellten Bus verbringen musste, brachte mich schliesslich in die Intag-Region. Hier, auf 1.400 m Hoehe, befindet man sich im subtropischen Klima. Weitlaeufige, von dichter Vegetation bewachsene Bergkaemme zerpfluegen die Landschaft, in den Taelern fliessen zu stattlichen Fluessen angewachsene Gebirgsbaeche.
Mich zog es hier zu den Thermalbaedern von Nangulvi, die sich jedoch als mittelgrosse Enttaeuschung entpuppten. Ich hatte irgendwie mehr erwartet als ein paar schmutzige Schwimmbecken mit warmem Wasser. In der Region waren vor allem einheimische Touristen unterwegs und ich hatte Pech mit meinem Hostel: schmutziges Zimmer, bewohnt von Ameisen, mit bedenklich brummendem Flacker-Licht und hauchduennen Waenden.
Ich blieb nur eine Nacht in der Naehe von Apuela, machte am Morgen vor meiner Weiterreise jedoch noch eine beeindruckende Wanderung aus dem Tal hinauf auf einen der Bergkaemme. Gesucht habe ich ein paar Ruinen aus einer praekolumbischen Zeit, die ich jedoch nicht fand. Stattdessen wurden mir aber einige faszinierende Einblicke in das Leben zwischen Bananenplantagen, Wasserfaellen und schnell vorueberziehenden Nebelschwaden zuteil. Die Menschen der Intag-Region scheinen ihrem Tagesgeschaeft mit ausserordentlicher Gemuetlichkeit nachzugehen - ich habe mich allerdings einige Male penetrant angestarrt gefuehlt; vielleicht, weil sich nicht viele gringos in diese entfernte Gegend verirren.
In anderem Masse ist Intag aber eine Region mit Vorbildcharakter: die Bewohner haben sich mehrfach politisch organisiert, u.a. um die sie umgebende Natur im Kampf gegen skrupellose Minenfirmen zu beschuetzen. Auch erwaehnenswert ist die einst von Entwicklungshelfern gestartete Intag-Zeitung, die ueber das Leben der indigenen Bevoelkerung und kommunale Geschichten berichtet - haette ich nach dem Abitur doch hier mal ein halbes Jahr verbracht.
Zurueck in Otavalo wollte ich mich von dem koerperlich anstrengenden Abstecher erholen (um den Bus zurueck ins Leben zu kriegen, musste ich mehrfach die Haltestelle wechseln, sprinten, schwitzen, und schliesslich feststellen, dass einem drei Ecuadorianer garantiert drei verschiedene Sachen ueber den Busfahrplan erzaehlen).
Aus meinem Plan, gediegen im Hostel zu faulenzen, wurde aber nichts, denn: ich habe mir meine Regenjacke klauen lassen. Wie das geschehen ist, weiss ich nicht. Tatsache war aber, dass sie als ich nach Nutzung des Internets das zugehoerige Cafe verlassen wollte, nicht mehr hinter mir hing. Da jegliches Nachfragen und Gesuche vergeblich war, habe ich mich auf den Weg nach Quito begeben und bei einem ecuadorianischen Outdoor-Ausstatter fuer 50$ einen fast gleichwertigen Ersatz erstanden.
Nach einer Nacht in Quito in der Backpacker´s Inn ("Che Guevara haengt im Treppenhaus"), wo ich Backpacker verschiedenster Coleur kennenlernte, mit denen ich unter anderem den grandiosen Film Kick-ass schaute, bin ich in Richtung Regenwald aufgebrochen.
Dienstag abend kam ich im kleinen Dschungel-Dorf Misahualli an, das etwa eine Stunde oestlich von der Provinzhauptstadt Tena und fuenf Buststunden sued-oestlich von Quito liegt. Die Strasse dorthin ging staendig bergab, aus der Ebene zwischen den Vulkanen hinab ins Amazonas-Becken. An manchem Punkt konnte man geradezu spueren, dass dort, in Richtung Tal, keine Berge mehr kommen und das keine Erhebung den Blick gen Atlantik auffangen wuerde - auch wenn man es wegen dichter Wolken leider nicht sehen konnte.
Misahualli zeigte sich erstaunlich mild, auf dem Plaza vor meinem Hostal erinnerte aber eine Schar wild herumturnender Affen daran, dass man sich in den Tropen befindet. Diese Affen machten im Uebrigen jeden Weg quer ueber den von Brunnen und Palmen gezierten Dorfplatz zu einem kleinen Abenteuer - vollkommen hemmungslos sprangen sie Touristen und Einheimische an, nur um ihnen Taschen, Halsketten oder Feuerzeuge zu entreissen, die sie dann auf irgendein Dach schleppten um damit herumzuspielen. Rund um den Dorfplatz wurde daher Hostel-Gaesten eindringlich geraten, ihre Fenster zu jeder Tages- und Nachtzeit zu schliessen, da sonst Affen ins Zimmer eindringen und Verwuestung hinterlassen wuerden.
Auf der Suche nach Abendessen fande ich schliesslich meinen Weg ins Hostal Shaw, das der einzig belebte Flecken an diesem Abend zu sein schien. Ehe ich mich versah, war ich von einer Gruppe dort wohnender kanadischer Volontaere zu ihrer Abschlussfeier in einem indigenen Dorf flussabwaerts eingeladen, in dem die Kanadier zwei Wochen lang sanitaere Anlagen und Dschungelpfade errichtet hatten. So kam es, dass ich wenig spaeter in einem Motor-Kanu ueber den Rio Misahualli schoss, tropische Prise im Gesicht und Bier in der Hand, umgeben von der naechtlichen Symphonie eines Amzonas-Zubringers.
Der Abend war dann auch so lustig, dass mich die sympathischen Kanadier am naechsten Tag mit zum Rafting auf einem in der Naehe befindlichen Fluss schleppten. Hier kaempften wir unseren Weg durch Stromschnellen, kenterten mehrere Male fast und machten etliche Male intensive Bekanntschaft mit dem Wasser des Tropenflusses, das belebte, durchstroemte und begeisterte. Nur mit Schwimmweste durch Stromschnellen geschwemmt zu werden, in denen sich meterhohe Wellen vor einem auftun, war der ultimative Kontakt mit der Natur und bescherte mir ein bisher unbekanntes Gefuehl der Freiheit.
Die Kanadier reisten noch am selben Abend ab. Am naechsten Morgen erkundete ich ein bisschen eigenstaendig die Umgebung und bestritt den etwas muehsamen Weg (Fussmarsch, Bus der erst nicht kam, Kanu) zu der Tier-Station AmaZOOnica, in der aus dem illegalen Handel gerettet Tiere aufgefangen und wieder an die Natur gewoehnt werden sollen. Bei dieser Gelegenheit sah ich Affen, Papageien mit absurden Farbkombinationen (blaue Schnaebel, gelbe Augen, rot-schwarze Federn!), eine Anaconda und sich paarende Schildkroeten. Gegen Abend machten mir dann aber ca. 40 Mueckenstiche an meinen Beinen zu schaffen, die ich mir am Vortrag zugezogen hatte. Ausserdem suchte das Dorf ein echter Tropenschauer heim, der in den Nachtstunden unvorstellbare Regenmassen auf die Erde niederprasseln liess und auch das Dach meines 7$-Zimmers ueberforderte: so tropfte es an mancher Stelle durchs Dach und Schlaf fand ich erst in den fruehen Morgenstunden.
Heute morgen habe ich dann den Dschungel verlassen und bin nun etwas weiter suedlich in den Subtropen, in Baños, dem "Tor zum Oriente". Hier will ich ein bisschen entspannen, ehe ich mich auf den gut 1000 km weiten Weg nach Lima mache. Auf diesem werde ich aber wohl noch einige Zwischenstationen einlegen, ehe ich morgen in einer Woche in der peruanischen Hauptstadt eintreffen moechte.
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